Fallstricke bei Kassensystemen - neue Schätzungsbefugnis durch das Finanzamt aufgrund BMF-Schreibens 2024
02.05.2024
Das neueste BMF-Schreiben zu § 158 AO (BMF, Schreiben v. 11.3.2024, IV D 2 - S 0333/23/10001 :001) konkretisiert die Anforderungen an die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und betont dabei die Bedeutung digitaler Schnittstellen zur Datenübermittlung an die Finanzverwaltung.
Dies reflektiert einen zunehmenden Fokus auf die digitale Infrastruktur im Rahmen steuerrechtlicher Compliance durch die Finanzverwaltung. Bereits an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass Belege wie Z-Bons etc. zumindest in der Terminologie der Finanzverwaltung seit 2017 nicht mehr bestehen. Durchgehend wird nunmehr der Begriff "digitale Aufzeichnungen" verwendet (dazu §§ 146, 146a und 146b AO).
Zentrale Punkte des BMF-Schreibens vom 11.03.2024
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Vermutung der Richtigkeit: § 158 Abs. 1 AO setzt eine gesetzliche Vermutung zur sachlichen Richtigkeit der Buchführung voraus, sofern diese formell ordnungsgemäß ist.
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Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit: Die formelle Ordnungsmäßigkeit wird nach den §§ 140 bis 148 AO und den entsprechenden Einzelsteuergesetzen beurteilt. Hierbei wird ein Gesamtbild aller Umstände des Einzelfalls berücksichtigt, wobei wesentliche Mängel oder die Summe mehrerer unwesentlicher Mängel die Ordnungsmäßigkeit infrage stellen können.
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Digitale Schnittstellen: Ein entscheidender Punkt ist die neue Anforderung, dass digitale Unterlagen nach den Vorgaben der einheitlichen digitalen Schnittstellen (nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b AO in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung) zur Verfügung gestellt werden müssen. Dies bedeutet, dass die Buchführung und Aufzeichnungen den digitalen Vorgaben der Finanzverwaltung entsprechen müssen.
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Folgen der Nichterfüllung: Wird dieser Anforderung nicht entsprochen, verliert die Buchführung ihre Beweiskraft nach § 158 Abs. 2 Nr. 2 AO. Daraus resultierend kann die Finanzverwaltung die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO schätzen, was in der Praxis zu höheren Steuerforderungen führen kann.
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Konkret heißt es in § 162 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AO:
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Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt.
Auswirkungen auf Unternehmen mit älteren Kassensystemen
Die Anforderungen des BMF-Schreibens können insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen, die ältere Kassensysteme verwenden, eine Herausforderung darstellen. Viele dieser Systeme sind möglicherweise nicht kompatibel mit den geforderten digitalen Schnittstellen.
Die Konsequenz ist, dass Unternehmen, die ihre Systeme nicht aktualisieren, riskieren, dass ihre Buchführung als formell ordnungswidrig eingestuft wird, wodurch Zuschätzungen möglich werden soweit die Buchführung nicht verwertbar ist. Im schlimmsten Fall könnte dies eine Vollschätzung bedeutet, falls die Buchführung insgesamt verworfen wird.
Dies zieht die Notwendigkeit nach sich, in neue, kompatible Systeme zu investieren, was insbesondere für kleinere Unternehmen eine finanzielle Belastung darstellen kann.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Für Unternehmen ist es essentiell, die technischen Anforderungen der Finanzverwaltung genau zu verstehen und entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Dies könnte bedeuten, in neue Soft- und Hardware zu investieren oder bestehende Systeme zu aktualisieren, um den Anforderungen gerecht zu werden. Zudem sollten sie steuerrechtliche Beratung in Anspruch nehmen, um potenzielle Risiken und Kosten effektiv zu managen.
Es ist zu erwarten, dass diese Sachverhalte nunmehr häufiger Gegenstand von Betriebsprüfungsfällen, ggf. auch unter Einbeziehung der Steuerfahndung werden.
Gerne beraten wir Sie zu diesem Rechtskreis.
Von Rechtsanwalt Martin Figatowski, LL.M. (Tax)
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